Mittwoch, 26. Dezember 2018

Lyrische Betrachtung VIII - Zeitgeist

Hinter fremden Wänden sind die Dinge meistens anders, als man vor den fremden Wänden häufig denkt.
Und so laufen wir wir durchs Leben und sind neidisch auf die Dinge, die es hinter fremden Wänden gar nicht gibt.

Deshalb schütten wir und schütten und das Glas ist längst halb voll. Doch im Zwielicht dieses Bildschirms im Büro im zwölften Stock eines viel zu großen Hauses wirkt das viel zu kleine Glas immer nur als wärs fast leer.
Und dann denkt man, man verdurstet, doch das Fass läuft schon seit langem über unsren schmalen Tellerrand hinaus.

Und wir trinken und wir essen und wir saufen und wir fressen und wir denken manchmal, doch wir machen meistens nur.
Denn im Irgendwo sind all die, die wir essen und verleugnen, die wir meiden, um beim Machen nicht zu denken.

Und am Ende sind da wir und wissen nicht mehr, wer wir sind, weil alle Fässer längst gefüllt und jeder Hunger längst gestillt ist.
Und am Ende wissen wir nicht einmal mehr, wie man denn stirbt, weil jedes Gras in das man beißt doch längst verdorrt ist.
Und am Ende stehen wir mit all den Fahnen und Fanfaren auf den Dächern all der viel zu großen Häuser.

Doch wir blicken in das Zwielicht unsrer Nächte und wir fragen uns die Fragen, die wir alle schon seit Jahren auf die Herzen unsrer Kinder tätowieren.
Und dann trinken wir und singen und dann träumen wir vom Springen, doch wir füllen unser schimmeliges Fass.
Denn das ist Zeitgeist, das ist Freigeist, das ist kein Geist, was wir wollen - ist es das?

26.12.2018