Montag, 12. Februar 2018

Zwei Zeitungen

Du sitzt dort und bist stumm.
Man guckt hin, aber schaut weg.
Man telefoniert, man unterhält sich,
man blickt herab und hat Mitleid.

Du sitzt dort und bist stumm.
Manchmal ein Klimpern
und du lächelst mit den Augen
und man blickt herab und hat Mitleid.

Du sitzt dort und träumst stumm,
denn viel mehr als deine Träume
hast du nicht.
Doch du wirkst nicht traurig,
denn zwei Zeitungen
sind auch ein Quadratmeter.

Zwei Zeitungen sind ein Wohnzimmer,
zwei Zeitungen sind ein Bett.
Zwei Zeitungen sind dein eigenes Reich
und wenigstens sind sie nicht so feucht wie der Boden.

Da, wo du herkommst, vermisst man dich
vielleicht.
Auch du hast eine Mutter und einen Vater,
vielleicht eine Tochter oder einen Sohn.
Da, wo du herkommst, hat man dich
vielleicht vergessen.

Du sitzt dort und bist stumm.
Man kennt dich hier und man lächelt dir zu.
Man bringt dir die Zeitung, man gibt dir zu essen,
man blickt herab und hat Mitleid.

Zwei Zeitungen trennen dich
vom Rest der Welt.
Und irgendwann ist es wieder Winter.
Und plötzlich bist du nicht mehr da.

Man hat ein seltsames Gefühl.
Man blickt herab und das Lächeln
bleibt aus.
Wo du gesessen hast liegt nur
der Tagesspiegel, Seite 12.

Keine Titelseite, keine Schlagzeile.
Nur der uninteressante
Lokalteil.

12.02.2018